Donnerstag, 31. Juli 2008

Ich verstecke mich, hinter meiner Sippe, hinter den Schicksalen meiner Vorfahren, die Großmutter, die ihren Lieblingssohn mit Ende 30 verliert, der Großvater, der mit Ende 20 im Lazarett an einer Embolie stirbt, er hatte einen "Heimatschuss" und freute sich, nachhause zu seiner kleinen Tochter und seiner großen Liebe zurück zu dürfen. Die Cousine, die um die Liebe ihrer Mutter kämpft, erfolglos, weil sie das Kind einer ehelichen Vergewaltigung war, viele solcher Geschichten kursieren, warten nur darauf endlich gewürdigt und anerkannt zu werden. Ich möchte rufen "das sind Schicksale, Tragödien" aber schaut nicht auf mich, ein 08/15-Leben, durchschnittlich, keine besonderen Vorkommnisse.

Eva hat wieder zurück in ihre Clique gefunden, sie braucht mich nicht mehr, der Lückenfüller hat ausgedient. Manchmal könnte ich wütend werden, dann empfinde ich ihr Verhalten als ungerecht und ausbeuterisch. Dann frage ich mich, warum ich mitspiele, warum ich diese Rolle nicht zurückweisen kann. Nach außen hin wirke ich gleichgültig, gelangweilt, ich brauche sie nicht und sie braucht mich nicht, wir sind uns also einig.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Mein Herr
Sie wollen mir also weismachen, ich sei in irgendeiner Form missbraucht worden. Missbrauch, das Wort hängt im Raum und ich bekomme eine Gänsehaut. Aber das ist doch völlig absurd. Das müsste ich doch wissen. Das wäre ja geradezu klassisch. Ich habe das Gefühl, wenn ihr sonst nicht mehr weiterwisst, werft ihr mal "Missbrauch" in die Runde und damit ist dann alles klar - für alle! "Missbrauch", das ist das Totschlägerargument schlechthin, Ende der Diskussion. Sie missbrauchen mich, indem Sie Ihre Interpretation und Sicht in mich hineinschieben ohne dass ich etwas dagegen tun kann. Sie pflanzen einen Missbrauch in mich hinein, der nie stattgefunden hat. Was bleibt ist die Gänsehaut.

Dienstag, 29. Juli 2008

Adam was ist mit deiner Seele passiert, warum musst du dich so zurückziehen und verbarrikadieren, selbst vor Freunden? Wie kann ich dich erreichen, dir vielleicht helfen? Nein, das ist Unsinn, ich kann dir nicht helfen, selbst wenn ich gerne möchte, ich kann mir ja selbst nicht helfen. Du hast von dir aus die Grenze gewahrt und keinen Schritt näher als Freundschaft gemacht. Ich war dir dankbar dafür, auch wenn ich deine Maßnahmen teilweise übertrieben fand und darüber spottete. Trotzdem, eine Freundschaft ließ sich auch so nicht aufrechterhalten und das schmerzt mich. Ich fühle mich dafür verantwortlich und suche nach meinem Fehler. Was ist schiefgelaufen bzw. was läuft immer wieder schief? Warum bist du weggegangen? Und ausgerechnet in die Stadt in die auch ich damals geflohen bin? Zufall? Oder wolltest du in meiner Nähe sein und wußtest nicht, dass ich inzwischen schon wieder weiter geflohen bin? Die damaligen Freunde sind einfach untergegangen, nichts ließ sich halten, du bist der letzte, ich will die Hoffnung nicht aufgeben. Du hast dich längst abgewendet, ich halte eine Fata Morgana in den Händen.

Montag, 28. Juli 2008

Mein Herr
Sie wundern sich, dass ich Ihnen nie von meinen Träumen erzähle und ausgerechnet jetzt damit anfange? Sie haben mich genötigt, weil ich lange geschwiegen habe. Sie sprachen von Zensur, lachend. Soll ich Sie denn hineinziehen in dieses zusätzliche Chaos? Ja, ich zensiere, weil ich selbst sie beim Aufwachen und darüber Nachdenken nur als absurd und blödsinnig abtun kann. Klar, manchmal bleibt bei dieser Beurteilung ein ungutes Gefühl zurück, man vibriert innerlich, ist unruhig und kann doch nicht erklären warum. Und eine Erklärung ist notwendig. Und genauso werden Gefühle zensiert, weil sie sich nicht erklären lassen. Was ist ein ungutes Gefühl, eine Angst, ein Schrecken, wenn es keine Verbindung zu etwas in der Außenwelt hat bzw. die Außenwelt blind ist dafür? Genug, Sie verstehen ohnehin nichts, ich selbst verstehe es ja auch nicht. Manchmal verirrt man sich in den Worten.

Sonntag, 27. Juli 2008

Ein Mädchen zu Besuch bei ihrem Grundschulfreund. Herzliche Begrüßung durch den Vater des Jungen - wie immer. Ein Gefühl von ich will da nicht mehr hin, ich will mich von dem nicht umarmen und küssen lassen, irgendetwas ist nicht richtig. Als Vergleichsmöglichkeit nur die Küsse der Eltern, kraftvoll die der Mutter, schnell und wie im Vorübergehn die des Vaters, die Omas lassen es in ihren Umarmungen verschwinden und entsprechend dick und schmatzend auch ihre Küsse. Alle jedoch abgeschlossen, Kuss und Schluss und jetzt geh spielen oder zur Schule oder heim oder komm rein. Zum ersten Mal ein Kuss wie mittendrin abgebrochen, wie ein ich will mehr, wie ein Befehl und gleichzeitig Schrecken darüber. Verwirrung verbunden mit einem das kenne ich, das ist nicht neu. Aber es fehlen Bilder, es fehlt die Erinnerung dazu. Wie automatisch und lange eingeübt ein ich bin nicht da, erstarren, gefühllos werden, es über sich ergehen lassen. Ist diese erste bewußte Erinnerung an ein "Umkippen" nur die Spitze des Eisberges?

Freitag, 25. Juli 2008

Adam versteckt sich hinter seiner Arbeit. Auf meine wiederholten Einladungen erwidert er stereotyp er habe einen Termin, sei auf Dienstreise, zu beschäftigt, müsse sich noch vorbereiten etc. Ich glaube ihm nicht, ich weiß wie viele Dinge er gleichzeitig machen kann, wenn er will. Also liegt es an mir, er will nicht. Ich bin ein unliebsamer Schatten aus seiner Vergangenheit. Aber warum stellt er sich nicht, warum können wir das nicht ein für alle mal klären. Ich will ihn sehen. Ich wünsche mir so sehr, ihn mal wieder zu treffen. Wovor hat er Angst? Ich will kein Schreckgespenst für ihn sein. Dann verschwinde ich lieber und löse mich in Luft auf. Aber er muss es mir schon sagen!

Donnerstag, 24. Juli 2008

Mein Herr
Sie meinen sicher, mein Verharren auf einer kindlichen Stufe sei einfach ein Schutzmechanismus vor der "gefährlichen" Erwachsenenwelt in der man miteinander schläft, Kinder bekommt, etc. und vermutlich bin ich Ihrer Meinung nach in früher Vorzeit vergewaltigt oder sonstwie aus meinem Kindsein herausgerissen worden. Aber das stimmt nicht, das ist absoluter Blödsinn, und das wissen Sie im Grunde genommen selbst. Muss ich Ihnen erzählen, dass es gut ins Konzept passen würde? Aber lassen Sie Konzept Konzept sein, es passt nicht!

Mittwoch, 23. Juli 2008

Mein Lesbischsein als Alibi um Männer abzuwehren. Gleichzeitig jedoch müsste ich hetero sein, um Lesben abzuwehren, denn wie soll ich erklären, dass ich zwar lesbisch bin, aber weder eine Beziehung noch sexuellen Kontakt anstrebe, das ist absurd. Gleichzeitig die Frage, wie ich mich ehrlicherweise selbst sehe. Wut darüber, Eva nicht einfach so in die Arme nehmen zu dürfen, ohne dass sie gleich an Beziehung denkt oder meint "ich will was von ihr". Es wäre einfacher, wenn sie meine Schwester wäre oder hetero oder ein Kind. Kann man asexuell sein? Oder ist das auch nur Tarnung? Aber für was?

Dienstag, 22. Juli 2008

Mein Herr
Sie schlagen vor, ich solle Assoziationen und Verbindungen, Einfälle zu Eva finden und mich nicht mit Erklärungsversuchen quälen. Und doch bin ich gehemmt, denn es könnte für Sie nur unverständlicher Blödsinn herauskommen. Eva und meine Mutter, das Gefühl mich ihr gegenüber rechtfertigen zu müssen, Eva im gleichen Alter wie meine Schwester, ich möchte sie beschützen, möchte vielleicht auch wieder jemanden haben, für den ich die "Große" bin, der sich an mir orientiert, für den ich eintreten muss, den ich verteidige gegen die böse Welt. Eva und meine erste Verliebtheit in der Schule, Zusammenschluss zwischen extrovertierter Alpha-Persönlichkeit und introvertiertem Nachdenker. Sich durch sie hineinziehen lassen in normales Leben, Kopf ausschalten, nicht alles vorher genau überdenken und die Folgen einkalkulieren. Eva und Adam, gegenseitige Anziehung, die im letzten Moment ausgebremst wird, Rücksichtnahme auf den anderen, das Gefühl den anderen zu überfordern, wenn man sich "ganz" zeigt. Wie zwei Magneten, die man langsam aufeinander zu bewegt, irgendwann ist der Abstand klein genug und mit einem Klack hängt man schlagartig aneinander. Angst vor diesem Moment, Flucht in die Distanz und erneute Annäherung, ein gefährliches Spiel, Kontrollverlust als höchstes Ziel und totaler Absturz, herbeigesehnt und mit Händen und Füßen verhindert. Eva als Kind, dieses raumfüllende ohne Rücksicht, ihr Unverständnis, egoistisch nehmen was da ist, zurückstoßen was man nicht mehr will, keine Moral, keine Gewissensbisse, keine Rechtfertigung. Aber vielleicht ist das auch nur mein persönliches Bild von ihr und in Wirklichkeit ist sie ganz anders. Ich kann sie nicht fassen, sie bleibt anders und immer fern für mich. Oder schiebe ich sie in diese Ferne, weil ich Angst vor ihrer Nähe habe? Genug, es hat keinen Sinn, es bringt keine Klarheit, weder mir noch Ihnen.

Sonntag, 20. Juli 2008

Mein Herr
darf ich offen mit Ihnen sprechen? Ich habe das Gefühl, Sie erwarten etwas von mir, was ich gar nicht habe. Sie versuchen etwas herauszuhören, was nicht drin ist, Sie geheimnissen etwas in mich hinein und machen sich ein Bild von mir, was nicht stimmt. Jede Begegnung ist ein Missverständnis, denn was oberflächlich sichtbar ist, das bin nicht ich. Wie soll ich Ihnen erklären, dass Sie ein Phantom verfolgen, sich von einer Fata Morgana in die Irre führen lassen. Ich bin nicht, wo sie mich vermuten, doch es gibt keine Worte, keine Erklärung.

Freitag, 18. Juli 2008

Kann ich leugnen, dass ich mich nach Nähe sehne? Dass ich gerne jemanden umarmen möchte? Und doch ist jeder Versuch ein Missverständnis, es treffen sich nur Larven, verzweifeltes Umarmen und Täuschen. Es ist Lüge zu sagen, lass mich in Ruhe, es ist Lüge zu sagen, umarme mich, liebe mich. Nähe und Geborgenheit als Wunschvorstellung, die sich nie erfüllen lässt, weil man sie nicht erträgt. Wie verbrannte Haut, nach Kühlung lechzend und gleichzeitig vor Schmerz aufschreiend bei jeder Berührung. Und keinen Hinweis darauf, warum ist das so? Ich strecke die Arme ins Leere und schreie, wenn du nur einen Schritt näher kommst.

Vincent van Gogh hat nicht so gemalt, weil er krank war, sondern er ist krank geworden, weil er mit seiner Sprache des Malens nicht verstanden wurde. Es ist Folter einem Menschen permanent zu signalisieren, dass seine Sicht der Dinge falsch ist und dementsprechend keine Berechtigung hat. Das was und wie er malte war sein Ich, sein individuell Eigenes, d.h. seine Bilder zurückzuweisen hieß, ihn selbst zurückzuweisen. Ein Mensch in einem fremden Land wird genauso verrückt, wenn sich keiner die Mühe macht zu verstehen, was er sagt. Zurückgeworfen auf sich selbst versinkt man schließlich in Sprachlosigkeit.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Mein Herr
warum muss man immer etwas anderes tun als man eigentlich tun will nur damit man verstanden wird? Wie erklärt man, dass Annäherung Abwehr sein kann, dass man jemanden küsst, damit er einen endlich in Ruhe lässt? Das klingt nicht sehr überzeugend, nicht wahr? Doch was macht eine Frau interessant? Wenn sie nichts von einem wissen will. Ich wollte von Adam nichts wissen und zeigte ihm das mehr als deutlich. Alle Verabredungen und Treffen gingen von ihm aus, ich ließ mich gnädig dazu überreden. Ich war naiv, damals, wusste noch nichts von den Mechanismen menschlicher Beziehungen, wahrscheinlich wäre ich ihn rascher losgeworden, wenn ich mich in seine Arme geworfen hätte. Wieso ist alles so kompliziert? Und warum sagen Sie mir nicht offen, dass ich Sie mit meinem Kinderkram langweile? Ich sehe Sie hin und wieder verstohlen gähnen, also leugnen Sie nicht!

Dienstag, 15. Juli 2008

Und wenn es nur Rachegelüste waren, die mich damals veranlassten, Eva zu küssen und ihr näherzukommen? Wenn ich mich auf diese grobe Art durch Angriff ihrem permanenten Vordringen zu erwehren versuchte? Ich wollte mich nicht einspinnen lassen und hatte gleichzeitig nicht die Kraft meine Grenzen zu wahren. Ich schlug sie küssend in die Flucht, absurd.

Warum bin ich dafür verantwortlich, dass die Distanz zwischen uns gewahrt bleibt? Warum muss ich mich Eva gegenüber betont neutral, desinteressiert, sachlich bis zur Langeweile zeigen? Ich will mich nicht mit ihr treffen, hoffe darauf, dass sie es selbst merkt und gebe ihr daher keinerlei Anlass. Was soll ich noch tun? Oder ist genau dieses Verhalten Anlass für sie mich erneut zu treffen? Ich gebe ihr dadurch Sicherheit und wahre ihre Grenzen.

Montag, 14. Juli 2008

Mein Herr
Sie wollen mir ein "ich will nicht" unterjubeln, wo ich im Augenblick ein "ich kann nicht" bevorzuge. Natürlich weiß ich, dass ein Nichtkönnen nicht nachvollziehbar ist, wenn man mich kennt. Ich kann alles - wenn ich will. Ein Nichtwollen jedoch beinhaltet gleichzeitig ein Verstocktsein, Rücksichtslosigkeit, etc. Im 1. Fall bin ich ein Versager, eine Niete, lebensunfähig, ein armer Fall, im 2. ein störrischer Esel, ein Trotzkopf, Verständnis gibt es so und so nicht und Argumente zur Begründung habe ich auch nicht. Ich hasse Sie dafür, dass auch Sie nicht mal versuchen zu verstehen. Es ist Flucht, wenn ich arbeiten gehe, es ist Flucht, wenn ich mich krankschreiben lasse. Es ist gelogen, wenn ich sage, ich bin krank, es ist gelogen, wenn ich sage, ich bin gesund. Und was ändert es, ob ich nicht arbeiten kann oder nicht arbeiten will.

Sonntag, 13. Juli 2008

"In Wirklichkeit bist du doch ein braves Mädchen. In Wirklichkeit willst du mich ja nicht kränken oder ärgern, du hast in Wirklichkeit keinen Grund wütend zu sein." Mein Ich muss in die Unwirklichkeit abtauchen, hat in Wirklichkeit keine Daseinsberechtigung, wird zu etwas Ungreifbarem, Schwebendem. Immer in Gefahr, den Zugang endgültig zu verlieren und nur braves Mädchen zu sein. "Du bist doch vernünftig und weisst, dass ein braves Mädchen sowas nicht macht. Du weisst doch, dass man davon nicht leben kann, die Realität ist nunmal so, da muss man sich eben anpassen." Und die riesengroßen Kräfte meines Ichs? Diese strotzende Energie, die sich unbekümmert austoben will, die Leben ist und mich am Leben erhält? Die sich der Verzweiflung und Resignation entgegenwirft und sei es nur mit einem wütenden Nein, Wahnsinn oder Flucht? Absturz in die Unwirklichkeit, um diesen Tropfen Ich nicht für immer zu verlieren. Wider alle Vernunft an ihm festhalten und zu retten versuchen. Fast unmöglich. Fast!

Das freudige Erschrecken über eine Nachricht von Eva in einer Situation, wo ich wieder einmal aufbegehre und zuviel Trotz sich angesammelt hat. Was bedeutet mir ein Treffen mit ihr? Was bedeutet sie selbst mir noch? Welche Rolle spielt es, dass sie mal wieder single ist? Im Grunde ist es Neugier, ich will wissen, wie die Geschichte mit ihrer Freundin weitergegangen ist, nachdem die beiden mich für dumm verkaufen wollten und von Streit, Trennung o.ä. nichts wissen wollten. Oder ist es nur ein Trick zu behaupten es sei aus, jetzt plötzlich endgültig? Was soll ich glauben bzw. inwiefern spielt es eine Rolle? Da ich selbst keinerlei Gefühle investiert habe bzw. auch in Zukunft nicht investieren werde und lediglich auf Beobachterposition bin, kann es mir egal sein. Komme mir manchmal wie ein Förster auf seinem Hochsitz vor, der sich freut, eine Wildschweinfamilie, einen brünstigen Hirsch oder ein rammelndes Hasenpärchen zu sehen. Alles ist gleichermaßen spannend und lässt einen doch mehr oder weniger unbeteiligt zurück. Angst sich einzulassen? Angst davor vom Strudel des Lebens einfach mitgerissen zu werden und keine Kontrolle mehr zu haben? Was ist schlimmer? Die Kontrolle zu verlieren oder am Leben vorbeizugehn? Eine Frage, die meine Existenz bedroht und meine Daseinsberechtigung radikal in Frage stellt. Sie ist längst beantwortet.

Freitag, 11. Juli 2008

Mein Herr
ich sage Ihnen, was passieren würde, wenn ich plötzlich auf meine eigenen Gefühle achten würde. Meine Umwelt würde mit Unverständnis reagieren, mich egoistisch nennen, mir vorhalten, dass man auch auf die Gefühle von anderen Rücksicht nehmen muss. Schnell wäre ich umzingelt von Vorwürfen und Schuldzuweisungen. Meine Gefühle haben keinen Platz, keine Berechtigung, daher stelle ich sie lieber ab und beschränke mich aufs Verstehen. Vielleicht jedoch rede ich mir das auch nur ein, weil ich zu feige bin. Mir fehlt der Mut, meine Gefühle zu zeigen, weil sie ohnehin so klein und verletzlich sind. Lieber töte ich sie selbst, anstatt sie mir von anderen töten zu lassen. Ich weiß, das klingt grotesk und wahrscheinlich haben sie dafür nicht das mindeste Verständnis, das kann ich gut verstehn.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Eva im Café mit irgendeiner Frau. Ich erinnere mich an ihre Zärtlichkeiten, wie sie ihr übers Bein streicht, über den Unterarm, die Hand berührt, die Schulter. Ich ein paar Tische weiter, scheinbar desinteressiert, Tee trinkend, etwas schreiben und doch genau beobachten. Ist es meine Einbildung oder ist Eva gar nicht wirklich dort drüben am Tisch? Ihre Bewegungen wirken mechanisch, ihr Blick schweift immer wieder ab, zu mir? Ich traue weder ihr noch mir. Ist ihr Blick herausfordernd "das könnte ich mit dir auch machen" oder genervt "lass mich endlich in Ruhe", will sie mich provozieren "du bist längst nicht so unbeteiligt und kühl wie du tust" oder ist es ein einfaches "versteh doch, ich bin verliebt und interessiere mich keinen Deut für dich". Alles scheint möglich bzw. unmöglich zu sein und Klarheit lässt sich nur herstellen, wo gesprochen wird, und zwar ohne Maskerade und Schauspielerei. Ich bleibe im unklaren und rede mir die wahrscheinlichste Möglichkeit ein, nach der sie verliebt ist in die Frau, die sie zärtlich berührt und alles andere meiner Einbildung entspringt. Wieder mal weiche ich zurück. Vor ihr, vor mir.

Verständnis haben, für jeden, für alles. Dafür dass mich einer liebt, dafür dass mich einer nicht liebt. Verständnis für alle Folgen, die sich aufgrund meines Verhaltens ergeben. Ich kann nicht voraussehen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Für die Folgen jedoch muss ich gerade stehn, die Verantwortung übernehmen, obwohl ich sie vielleicht gar nicht gewollt habe. Wie kann man unter diesen Bedingungen unbefangen auf jemanden zugehen, wie jemandem zulächeln oder auch nur seinen Blick erwidern. Darin enthalten die Möglichkeit, dass er sich in dich verliebt, was du nicht beabsichtigt hast, wovor du dich fürchtest. In letzter Konsequenz also kein Lächeln, den Blick abwenden, schnell weitergehn, die Spontaneität an die Kandarre nehmen. Und im umgekehrten Fall? Wenn du selbst Interesse an jemandem hast? Kein Lächeln, den Blick abwenden, schnell weitergehn, dann ersparst du dir, dass du zu deinen unerwiderten Gefühlen auch noch Verständnis dafür haben musst. Ein Leben ist das freilich nicht, mein Verstand vom vielen Verstehen schon völlig erschöpft.

Mein Vater, dem meine stürmischen Liebesbekundungen als Kind zuviel waren, der mich wie eine Klette abpflückte, wenn ich mich an seinen Beinen festklammerte. Meine Mutter, die mir erklärte, warum ich das verstehen muss: ein Elternhaus, indem man sich weder küsste noch umarmte, bestenfalls mal die Hand gab. Er kannte es nicht, war überfordert damit. Meine Oma, die mich drückte und herzte, wenn wir zu Besuch kamen. Die nicht verstehen konnte, dass es mir zuviel war, dass ich Angst hatte zu ersticken zwischen wogenden Brüsten, Bauch, Armen, Locken. Meine Mutter, die mir erklärte: die Freude über das Enkelkind, die Liebe zu mir, ihr Alter, das auflebt, mal wieder ein Kind zu haben. Ich verstand, im Grunde gibt es für alles eine Erklärung, eine Entschuldigung, und das Zauberwort hieß "du bist doch groß, du kannst das schon verstehen."

Dienstag, 8. Juli 2008

Mein Herr
wissen Sie wieviele Geschichten in der Luft herumhängen? Man fängt das eine Ende auf, wenn jemand dich anblickt, wenn du zufällig Zeuge eines Wiedersehens wirst, wenn du dich umschaust, überall sind sie, unerzählt, verborgen aber bedrückend in ihrer Fülle und Dringlichkeit. Wer wird sie erzählen oder sie zumindest wahrnehmen? Manchmal ist schon das eine Bürde, manchmal aber auch ein Geschenk. Ich fürchte mich vor den losen Fäden, die mich streifen, fürchte mich davor, dass sie anknüpfen an meine eigenen losen Fäden, in jedem steckt die Pflicht zu reden, herauszukommen und sich einbinden zu lassen.

Montag, 7. Juli 2008

Mein Herr
ich habe Ihnen von meinem Babysitter-Mädchen erzählt, die sich mit ihren fast 4 Jahren unbefangen in meine Arme wirft, entwaffnend. Ich habe in diesem Zusammenhang gemeint, dass mich diese Unbefangenheit fasziniert und erstaunt, weil ich in diesem Alter schon nicht mehr unbefangen war. Doch das stimmt nicht ganz. Ich kann auch heute noch unbefangen sein, genau wie die Kleine, und genau wie sie bin ich in solchen Augenblicken "entwaffnend". Das Problem ist, dass sich Erwachsene nicht gerne entwaffnen lassen, dass sie die Kontrolle behalten wollen und daher vermutlich lieber mich opfern. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang gesehen Adam im Nachhinein unheimlich, was damals in meiner Gegenwart aus ihm wurde. In seiner Position kann er sich einen Kontrollverlust nicht mehr leisten. Und was nutzt es mir, dass ich mich noch immer von Menschen verzaubern lassen kann? Wenn ich noch immer vor einem Blick oder einem Lächeln erstaune? Wenn ich berührt bin von einer Zärtlichkeit? Zurückgestoßen oder ausgenutzt wird, was im Moment der Unbefangenheit entstand. Bedeute ich auch für Sie nur eine potentielle Gefahr?

Donnerstag, 3. Juli 2008

Adam ist nicht der einzige, der nicht antwortet, ich könnte eine ganze Reihe ähnlicher Verläufe aufzählen, doch vielleicht liegt der Fehler tatsächlich darin, dass ich ein Prinzip dahinter vermute, eine gleiche Ursache, die in mir liegen muss. Es gibt jedoch unzählige Gründe, einen Kontakt abzubrechen bzw. einfach nicht weiterzuführen, angefangen mit schlichter Langeweile, Faulheit, Gedankenlosigkeit, über enttäuscht sein, andere Erwartungen gehabt haben, bis hin zu Grenzüberschreitung oder Angst vor meiner Zudringlichkeit und Nähe, lediglich im letzten Fall bin ich schuldig.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Sehr geehrter Herr
ja glauben Sie denn tatsächlich, ich bin es, der noch spricht und eine Verbindung zu anderen herstellt? Da muss ich sagen, Sie sind wirklich naiv. Ein vorgeschobener Popanz, ein Schauspieler ists, den Sie und alle anderen vor sich sehen, ich selbst habe mich längst zurückgezogen, um nicht völlig zerstört zu werden. Natürlich bleiben Beziehungen dadurch zwangsläufig oberflächlich und unbedeutend. Aber ist das meine Schuld? Soll ich mich von euch allen Ernstes zerstören lassen? Soll ich meinen Schutz aufgeben, nur um erneut enttäuscht und zurückgewiesen zu werden? Haben Sie als Kind auch mit Schnecken gespielt? Haben Sie beobachtet, wie langsam und vorsichtig sie ihre Fühler ausstrecken? Und wie schnell sie wieder in ihrem Häuschen verschwunden sind, wenn man sie vorschnell berührte? Das konnte man nicht allzu oft machen, denn sonst blieben sie einfach drin. Man brauchte viel Geduld, um sie danach tatsächlich nochmal herauskommen zu sehn. Tieren verzeiht man das, Menschen nicht, und so schickt man eben einen Pappkameraden vor, ist das wirklich so unverständlich?

Dienstag, 1. Juli 2008

Mein Herr
glauben Sie doch bloß nicht, dass diese Begebenheit mit der Schulfreundin, die sich wegsetzte, so einzigartig und tragisch für mich war. Sie irren gewaltig, denn tatsächlich gab es unzählige solcher Kleinigkeiten, sie versetzen einem zwar jedesmal wieder einen Stich, doch man gewöhnt sich daran: die Unterstellung, man mache seine Hausaufgaben vielleicht nicht selbst, Freundinnen, die Einladungen einfach vergessen, Gruppen, die sich auflösen und woanders hingehen, sobald man sich dazugesellt, Zimmer im Landheim, die plötzlich mit ganz anderen bevölkert sind, so dass kein Platz mehr für einen bleibt, der leere Platz neben einem im Bus zum Schwimmen, die Mannschaftseinteilung im Sport, bei der man immer als letzter gewählt wurde, gemeinsame Unternehmungen von denen man ausgeschlossen blieb, etc. Wie sich das anfühlt? Ich weiß es nicht, denn ich wurde starr und trotzig. Ich suchte keinen Kontakt mehr und hielt mich abseits. Ich galt als arrogant und überheblich, undurchschaubar, weil ich meine Gefühle nicht zeigte, sprich bei einer schlechten Note nicht losheulte. O.k. vielleicht war ich wirklich arrogant, man wollte mich nicht? Gut, dann hatte auch ich kein Interesse mehr, dann war ich eben der Außenseiter, der nirgends dazugehörte. Ja, ich war arrogant, bin es vermutlich immer noch.