Samstag, 31. Januar 2009

Mein Herr
können Sie mir erklären, warum ich derzeit alle Menschen, die nur in meine Nähe kommen am liebsten hochkant aus dem Fenster werfen will? Warum ich mich fühle, als sei meine ohnehin schon sehr dünne Schutzschicht inzwischen völlig durchgescheuert? So viele Hände fassen nach mir, permanent die ungewollten Übergriffe, die mich wie Raubtierkrallen zerreißen und nichts von mir übriglassen außer einer Wolke Wut, die sich immer höher und höher türmt ohne sich auflösen zu können. Sie bringen das in Verbindung mit dem Falltraum, den ich erwähnte, Hände, die zugreifen, ohne Halt bieten zu können. Alle Hände will ich wegschlagen, abhacken, zerstückeln, doch ich fürchte sie wachsen nach wie die Häupter der vorsintflutlichen Fabeltiere. Und Sie bestehen doch auch nur aus Fragen, die mich durchlöchern und zerkleinern, sind Sie denn anders? Bieten Sie denn Schutz oder Halt? In dieser Stimmung zerstört man alles, ohne Unterschied, erst später, wenn man wieder differenzieren kann, wird man einige der Scherben aufheben und über ihre Zerstörung traurig sein.

Freitag, 30. Januar 2009

Beim Anblick einer stillenden Mutter plötzlich eine Art Vision oder Wachtraum: Zu Adam fahren, mit ihm schlafen, schwanger werden, ein Kind bekommen und es großziehen, allein, ihm das Wissen um seine Vaterschaft vorenthalten. Absurd doch sehr befriedigend. In gewisser Weise ist er für mich ohnehin schon tot. Lebendig tot. Das Schwierige daran, bei einem Toten ist absehbar, dass er nicht antwortet und kein Treffen mehr stattfinden wird. Ich wollte ich könnte ihn tot akzeptieren, dann müsste ich nicht zwanghaft versuchen, doch nochmal mit ihm in Kontakt zu treten, ich würde sagen: vorbei, nichts mehr zu machen, rien ne vas plus.

Wieder Traum vom Fallen, dieses Wellenartige des Fallens, Abstoppens, Weiterfallens, wie ein Meer, dazu das Herzrasen. Die Bewegung bewußt mitmachen um vielleicht endlich einmal herauszubekommen, wohin der Fall überhaupt führt. Oft dachte ich so ist das Sterben, und genauso wie man sich gegen das Fallen krampfhaft wehren kann und trotzdem weiterfällt, wird es auch mit dem Sterben sein. Vielleicht war Geborenwerden auch schon so, die Wehen die einzelnen Wellen des Falls. Eine zeitlang dachte ich, der Fall führt direkt in die Hölle, ich machte mich auf das Schlimmste gefasst, aber das Schlimmste ist die Tatsache, dass man nicht weiss, wohin man fällt. Ich wache auf, doch wie das Nachschaukeln beim Verlassen des Schiffs bleibt das Fallgefühl.

Mittwoch, 28. Januar 2009

Mein Herr
soll ich Ihnen den Verfall der Weiblichkeit erzählen? Soll ich Ihnen erzählen von den richtigen Frauen unserer Familie? Ich kenne sie nur aus Erzählungen, doch da ist z.B. meine Urgroßmutter, weit ausladende runde Formen, ein Po auf den man ein Tablett stellen könnte, ein Busen, der nur mit einem eng geschnürten Korsett zu bändigen war, dazu lange lockige Haare, aufgetürmt zu einer hochkomplizierten Steckfrisur. Die damalige Mode weit ausladende Röcke, Spitzchen an Kragen, Ärmel, Bluse, gestärkte Wäsche, Unterröcke. Die folgende Generation, meine Oma, ebenfalls weich und rund, in ihrem Busen konnte man als Kind versinken, die weiten Röcke und Schürzen boten Platz für Orangen, Spargel, Kartoffeln, dazu die Schüssel für die Schalen, den Abfall. Die Haare üppig und leicht gewellt, halblang um den ganzen Kopf herum toupiert oder in Wellen gelegt, der Eindruck eines riesigen Kopfes. Dazu viel Schmuck, zahlreiche dicke Ringe mit Steinen, Armbänder mit Spangen und Ketten mit Elfenbeinschnitzereien, Perlen, Broschen, Ohrringe wuchtig, massiv. Doch es passte zu ihr. Was bei meiner Mutter lächerlich gewirkt hätte, meine Oma konnte es tragen, es unterstrich in besonderer Weise ihre Lebensenergie. Für mich als Kind war sie wie eine Naturgewalt. Bei meiner Mutter wurde die Weiblichkeit diszipliniert, es galt, sich in einer Männerwelt durchzusetzen. Rundungen verschwanden in Kostümen, später Hosen, Eindruck von Strenge und Seriosität, mit Argumenten überzeugen, mit guter Arbeit Anerkennung erringen, alle Spuren die unterstellen könnten, der Erfolg beruhe auf nicht legalen weiblichen Tricks verwischen, bereits im Vorfeld unmöglich machen. Weiblichkeit war ein Störfaktor im beruflichen Umfeld, sie bewies unnachgiebig die Gleichwertigkeit von männlicher und weiblicher Arbeit, indem sie mindestens doppelt so viel an Einsatz, Disziplin, Gewissenhaftigkeit und Strenge zeigte. Sie musste überdurchschnittlich gut sein, um den "Makel" ihres Geschlechts auszugleichen. Im Vergleich zu ihrer Mutter war sie schmal, achtete auf ihr Gewicht, hatte einen kleinen Busen, wenig Po, Bauch, Hüften, Rundungen waren eher lästig und wurden sorgsam durch entsprechende Garderobe "kaschiert". Als Kind und Jugendliche wurden meine Rundungen, sprich Übergewicht auch kaschiert, was mich in der Annahme bestärkte, ich sei ein Monstrum. Später, als ich längst keine Gewichtssorgen mehr hatte, kleidete ich mich bewußt unweiblich mit Hosen, Pullis, Stiefel, Jacken, Kurzhaarschnitt ging ich oft als Junge durch, was mich amüsierte, jedenfalls nicht unangenehm war. Die Strenge hat teilweise abgefärbt, ich halte meine Gefühle unter Kontrolle, und will durch Leistung anerkannt werden, und nicht weil ich eine Frau bin. Ja, natürlich verleugne ich meine Weiblichkeit, aber nicht wie Sie es mir vorwerfen durch kurze Haare oder die Kleidung, nein, es ist die Weigerung zu sagen, ich bin eine Frau, die Weigerung zu akzeptieren, wenn andere sagen, du bist eine Frau oder sogar, du bist eine attraktive Frau. Wie soll ich das annehmen können, wenn ich selbst in dem Glauben aufgewachsen bin, ein Monstrum zu sein, wenn ich stets nur der gute Kumpel war, dem man von seinem Liebesleid vorheulte? Wie konnte ich ein Gespür dafür entwickeln, dass sich jemand für mich interessiert, wenn ich selbst mich überhaupt nicht für mich interessiere? Ich habe nur Verachtung für diese "Frau", die vor ihrer Weiblichkeit feige davonläuft. Doch um noch einmal auf die Haare zurückzukommen: Auch wenn weder Sie noch irgendjemand sonst es verstehen werden, genau an diesem Punkt kann ich meine Weiblichkeit ansatzweise annehmen, die kurzen Haare sind meine Form von Aufrichtigkeit, es wird nichts "kaschiert" und im Gegensatz zu Ihnen sind für mich gerade diese kurzen Haare, die meine Kopfform und mein Gesicht freilegen ein Ausdruck meiner Weiblichkeit. Man könnte sagen, über die Generationen betrachtet nimmt die Weiblichkeit mehr und mehr ab, aber vielleicht verändert sie sich und wir sind auf dem Weg zu einer neuen.

Dienstag, 27. Januar 2009

Die eigene Brutalität erschreckt mich, vor allem jedoch die Sorge, was dadurch passieren könnte. Bisher war es Glück, dass ich noch niemanden umgebracht habe, doch kurz davor war ich bereits und jedesmal dieses sich selbst mit aller Gewalt zurückreißen müssen. Erleichterung, wenn man es noch geschafft hat, das Unglück verhindert werden konnte. Danach wie betäubt. Ich denke an den Vorfall, wo ich fast meinen kleinen Hund erwürgt hätte, nur weil er auf einen Mann zugestürmt war und nicht mehr auf mein Rufen reagierte. Sie war noch jung, hörte schon ganz gut, doch sie liebte Männer und daher kam es immer mal wieder vor, dass sie ihre gute Erziehung vor lauter Freude einfach vergaß. Kann man ihr einen Vorwurf machen? Es kränkte mich jedoch maßlos und bei einer dieser Gelegenheiten war ich rasend vor Wut, warf sie auf den Rücken und ihr angstvolles Aufjaulen reizte mich zusätzlich, so dass ich sie packte, schüttelte und würgte. Nicht lang, den Bruchteil einer Sekunde, beim ersten Röcheln sprang ich zurück und rannte davon, wäre ich geblieben, sie würde nicht mehr leben. Es ist ein Augenblick von Triumph, Genugtuung, Hass, Zerstörungslust, Befriedigung und Sadismus. Und große Kälte, Gefühllosigkeit. Ich erschrecke, dass keinerlei Mitleid in mir ist, erbarmungslos, grausam als hätte man genau auf diesen Moment gewartet, als sei das deine Lebensaufgabe. Was für eine quälende Vorstellung, wie ein Fluch verfolgt sie mich, und die Angst, dass sie sich irgendwann erfüllen könnte, lässt mich panisch dagegenarbeiten.

Montag, 26. Januar 2009

Mein Herr
sicher kennen Sie dieses Gefühl, wenn man plötzlich erkennt, dass man benutzt worden ist. In einer Sekunde des Schrecks saust der Film der zahlreichen Begegnungen und Treffen vor dem inneren Auge ab und alles passt zusammen. Wie das letzte Puzzleteil ergibt sich ein Bild, ein vollständiges, und hat man vorher gerätselt, was es zeigen würde, möchte ich jetzt am liebsten wegschauen, bin aber zu gebannt. Eva hat mich benutzt, um ihren Freundinnen zu zeigen, dass sie unabhängig von ihnen ist und außerhalb der Clique Freundschaften pflegt. Ich war ein Statist und habe es nicht gemerkt bzw. nicht merken wollen. Ich wollte nicht das Schlechteste von ihr annehmen, ich wünschte ich hätte mich getäuscht, aber heute war es offensichtlich. Ich traf mich mit ihr und wollte in ein kleines Café, wo wir ungestört wären. Mein Vorschlag stieß jedoch auf taube Ohren, also ließ ich mich breitschlagen und ging in unser Stammcafé, und natürlich trafen wir 2 Freundinnen von ihr, begrüßten sie und gingen dann an einen freien Tisch direkt gegenüber. Beim Hinsetzen fing ich ihren Blick auf, eine Mischung aus Stolz, Genugtuung, Triumph, Hochstimmung und Verachtung oder Mitleid, ich wusste schlagartig bescheid und zersprang in tausend Splitter.

Dienstag, 6. Januar 2009

Freundschaft, eine weitere Fata Morgana, die man entlarvt und zum Teufel jagt, genauso wie man Gott, die Liebe und das Ideal von einem sinnvollen Beruf bereits zum Teufel gejagt hat. Illusionen erkennen und sich davon befreien ist vielleicht die einzige Aufgabe in unserem Leben, aber es ist keine befriedigende, es lebt sich angenehmer und vor allem hoffnungsvoller, wenn man sie sich erhalten kann. Kalt wird die Welt, zunehmend kälter, man selbst einsamer denn je, auf einer Eisscholle stehend, davontreibend und genau wissen, dass es nicht das Paradies ist, dem man entgegentreibt.

Freitag, 2. Januar 2009

Wie zu erwarten war: enttäuscht, unfähig, sprachlos, ohnmächtig und gleichzeitig verärgert über die eigene Naivität, sich mitreißen zu lassen von der absurden Hoffnung "diesmal wird es klappen". 1. Was wird klappen? 2. Warum sollte es ausgerechnet diesmal klappen? 3. Wozu soll es klappen? 4. Warum ausgerechnet mit ihr? Fragen auf die es nur teilweise Antworten gibt. 1. Der Versuch, mit einem Menschen in Kontakt zu treten ohne in eine Rolle gezwungen zu werden und nur Form für den anderen zu sein. 2. Weil der Kontaktversuch von ihr ausging, also ich mir nicht vorwerfen muss, den anderen überrumpelt oder genötigt zu haben. Hinzu kommt, dass mich ihre SMS angeregt hat, dass ich mich auf ein Treffen gefreut habe und genügend Zeit seit dem letzten Treffen vergangen ist. 3. Weil meine Erwartungen ohnehin mittlerweile gleich Null sind und dringend ein positives Gegengewicht nötig wäre, um nicht völlig den Faden zu Welt und Leben zu kappen. 4. Weil sie mir auf eine bestimmte Art ähnlich zu sein scheint und gleichzeitig das komplette Gegenteil. Ich könnte möglicherweise von ihr lernen ohne mir minderwertig vorzukommen. Aber vielleicht verrenne ich mich auch und die vermeintliche Ähnlichkeit ist nur ein von mir gewolltes Konstrukt, ohne Entsprechung in ihr. Kurz vor unserem Treffen überwältigte mich eine große Traurigkeit, dieses schwermütige "alles ist eitel" lähmte mich und fast wäre ich gar nicht hingegangen. Ich weiß nicht wie es ihr ging, jedenfalls retteten wir uns beide in angestrengte Fröhlichkeit und waren bereits nach knapp 1 1/2 Stunden so fertig, dass wir beschlossen aufzubrechen. Auf dem Heimweg, allein in der U-Bahn, war ich erleichtert, dass es vorbei war, kein gutes Zeichen, aber woher dieses Gefühl kam bzw. wie es sich erklären lässt, kann ich nicht sagen. Fest steht, ich will sie nicht mehr sehen. Es ist demütigend eine Leiche wiederbeleben zu wollen. Der Geruch ist abstoßend und verursacht mir Übelkeit und Brechreiz.

Donnerstag, 1. Januar 2009

Adam hatte damals auch die Aufgabe ein Gegengewicht herzustellen zu seinem Freund. Er war der vernünftige, klar denkende, sein Freund hingegen impulsiv und jungenhaft. Mit ihm konnte man Pferde stehlen oder allen möglichen anderen Unsinn machen. Ich mochte ihn als Kumpel. Ich mochte ihn sogar betrunken, es war seine seltsame Verletzlichkeit, die mich faszinierte. Adam war streng, er verurteilte scharf, wenn sich jemand so sinnlos volllaufen ließ, da nahm er auch seinem Freund gegenüber kein Blatt vor den Mund. Aber der lachte nur und ließ sich sein Hefeweizen schmecken. Es war diese völlige Gleichgültigkeit gegenüber nachvollziehbaren rationalen Argumenten und allgemeingültigen Moralvorstellungen, er machte sein Ding, nicht sein Problem wenns jemand störte. Ich habe nie "mein Ding" gemacht, habe nur gegen die Begrenzungen der anderen rebelliert, ohnmächtig und gleichzeitig fraglos die ehernen Gesetze anerkennend. Nicht mutig den kalten Blick der Sphinx zu ertragen, zurückweichend und mich wegziehen lassen von den "Vernünftigen".