Montag, 31. März 2008

Sehr geehrter Herr,
es wird immer schwieriger voranzugehen, weiterhin nicht zurückzuweichen vor den Schatten, die aus dem Dunkel hervortreten und sich schemenhaft zeigen. Manchmal verliere ich tatsächlich den Mut, möchte sofort aufhören weiterzuforschen und weiß doch gleichzeitig, dass es davon nicht besser wird. Und Sie sind nicht da, während ich weiterstolpere und mich in Finsternis verfange. Dann weiß ich oft nicht, ob ich träume oder tatsächlich erlebt habe, was mir durch den Kopf schießt. Ich weiß gleichzeitig zuwenig und zuviel, eine ungesunde Mischung, die mich zwingt weiterzugehen ohne Rücksicht auf Verluste. Kommen Sie irgendwann wieder?

Sonntag, 30. März 2008

Ein kleines Mädchen liegt vor mir, nackt, und ich berühre mit den Fingern ihre Scheide, reibe daran, sehe wie sie sich anspannt, versucht abzuwehren, mache trotzdem weiter, rede ihr ein, sie müsse sich entspannen, doch sie zieht die Beine an den Bauch, versucht sich wegzudrehn. Der Traum bricht unvermittelt ab, und obwohl ich der Täter war, wache ich mit rasenden Herzklopfen und Panik auf, schäme mich als Kind und Opfer.

Ich passe gelegentlich auf ein kleines Mädchen auf. Wir vertreiben uns die Zeit mit puzzlen, spielen, basteln, etc. Diesmal haben wir Schwimmtiere im Waschbecken schwimmen lassen und kräftig herumgeplantscht. Danach waren T-Shirt und Hose etwas nass, also umziehen. Ausziehen war kein Problem, doch etwas Neues anziehen wollte sie partout nicht. Sie hopste nackt durch die Wohnung, tanzte herum und fand sich umwerfend. Ich jedoch geriet in Panik und wollte ihr so schnell wie möglich was anziehen. Es war ein Gefühl von "das kennst du" verbunden mit dem Wissen, dass man ganz unschuldig schuldig werden kann. Ich sah mich herumhopsen, nackt, meine Wirkung testen, ausprobieren wie weit ich gehen kann. Doch vor wem? Wer passte auf mich auf? Und wie ging es weiter? Nichts, was bleibt ist die Panik, das Entsetzen, wenn ich jetzt zusehen muss, wie sie genauso herumhopst. Ich kann es nicht erklären.

Samstag, 29. März 2008

Mein Herr,
auch wenn Sie jetzt ein paar Wochen nicht zur Verfügung stehen, ich werde Ihnen nicht schreiben, im Gegenteil, ich werde meine Kräfte sammeln, damit wir bei Ihrer Rückkehr wieder mit voller Konzentration weiterarbeiten können. Ich bin froh für die Auszeit, es ist wie ein Innehalten und Atem holen. Sie können einen ganz schön auf Trab halten, man weiß irgendwann gar nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Vieles wird sich hoffentlich in der Zwischenzeit klären. Bleiben Sie gesund, ich freue mich auf ein Wiedersehn.

Freitag, 28. März 2008

"Ich weiß alles von dir", der Mann setzt sich unaufgefordert zu mir an den Tisch, sieht mich an, rückt näher, spricht dicht an meinem Ohr, vermutlich nur, weil die Musik so laut ist, doch für mich entsteht der Eindruck einer feindlichen Übernahme. "Ich hab dich mit deinem Hund gesehen, wir haben auch schon kurz zusammen gesprochen". Ich muss mich besinnen, er hat recht, damals war er in Begleitung einer Frau, die sich zuerst auf meinen Hund gestürzt hat und ganz begeistert war, daher ist er mir nicht im Gedächtnis geblieben. "Als ich dich sah, hatte ich das Gefühl, alles über dich zu wissen", ich warte, was heißt schon "alles". "Du bist lesbisch und du hast Probleme". Wow, und das ist also "alles", was es über mich zu wissen gibt? Er erzählt mir von seiner Drogenvergangenheit, von Extasy und Zuständen, in denen man plötzlich ganz wach und wissend zu sein scheint. Ich bin mal wieder Zuhörer, geduldig, offen. Ich frage mich oft, warum erzählen mir wildfremde Menschen ihr Lebensschicksal, und warum bereits nach 2-3 Sätzen? Warum heucheln sie erst Interesse an mir, wenn es ohnehin nur darum geht, die eigene Geschichte endlich loszuwerden? Es ist nicht das Überschüttetwerden, sondern diese Heuchelei im Vorfeld. Es wäre einfacher, wenn sie mich fragen würden "sag mal, hast du was dagegen, wenn ich dir von mir erzähle, ich muss es einfach loswerden", das wäre aufrichtig. So jedoch bin ich gezwungen, ihre Maskerade mitzuspielen, muss sogar dankbar sein, wenn sich jemand zu mir setzt und sich mit mir unterhält, und obwohl ich derjenige bin, der zuhört und so Erleichterung verschafft, bleibe ich am Ende ausgesaugt wie von einem Vampir zurück.

Manchmal denke ich, es ist nicht zum Aushalten, dass Adam nicht antwortet. Ich weiss, es ist Unsinn darüber nachzugrübeln und sich mögliche Entschuldigungen auszudenken. Ich sehe ihn dann von der Arbeit heimkommen, es ist wieder spät geworden, er ist fertig, kann sich gerade noch schnell ein Brot machen, ein bisschen Musik hören, vielleicht die Zeitung durchblättern, die Beine ausstrecken, vor dem Fernseher einschlafen, erschöpft, allein. Morgens bis auf die letzte Sekunde im Bett bleiben, möglichst lang die Augen geschlossen halten, die Welt ausschließen, träumen, nicht denken. Der Tag wird wieder anstrengend, verlangt höchste Konzentration und vollen Einsatz. Wo bleibt da Zeit für einen Brief, für wenige Zeilen nur an eine Person, die ohnehin keine Rolle mehr im jetzigen Leben spielt? Nur ein blasser Schatten aus der Vergangenheit, der sich hartnäckig weigert, sich endlich verscheuchen zu lassen. Ich wünschte ich könnte mich in sein Gehirn einklinken und endlich wissen, warum der Faden von seiner Seite kommentarlos abgeschnitten wurde. Ich hasse ihn, weil er mich der Möglichkeit beraubt zu verstehen, was überhaupt vor sich geht. Sein Schweigen ist schlimmer als jeder Abschied. Weiß er das?

Dienstag, 25. März 2008

Die Frage ist, ob ich ihm schreiben soll, jetzt, da er für einige Wochen weg ist und im Grunde genommen unerreichbar. Gleichzeitig damit in Zusammenhang stehen meine früheren völlig vergeblichen Versuche z.B. Adam schriftlich festhalten zu wollen. Das Bedürfnis Raum und Zeit zu überbrücken allein mit Stift und Papier. Ist es möglich?

Eva mit ihrer neuen Freundin, dieses Bild verfolgt mich, obwohl ich nicht genau sagen kann warum, denn es ist ihr Leben, was habe ich damit zu tun? Die Überlegung dazu, dass es wie eine Mahnung ist, wie ein "schau her, das alles ist möglich" und gleichzeitig mit dem ganz leisen Zusatz "vielleicht auch irgendwann für dich", mit einem donnernden "aber niemals für jemanden wie dich". In diesem Dilemma gefangen.

Montag, 24. März 2008

Mein Herr,
ich bin frei, wenn ich von der Arbeit nach Hause gehe, wenn ich unterwegs zu meiner Familie bin, wenn ich allgemein gesprochen "dazwischen" bin, schon nicht mehr hier und noch nicht da. Dieses kleine Stückchen Zeit und Raum kennt keine Verpflichtungen, keine Anforderungen, denen man nicht gewachsen ist, kein "du-musst". Ich bin so müde, völlig übermüdet und weiß, dass mich nur noch die ewige Nacht des Todes erlösen könnte. Und gleichzeitig stellt sich mir die unlösbare Aufgabe, warum bin ich hier, ist es nötig weiterzumachen oder darf ich endlich aufgeben? Ich weiss, das klingt für Ihre Ohren wieder mal zu pessimistisch, vielleicht lachen Sie sogar über meine Dramatik, doch mir ist es ernst, erschreckend ernst sogar, doch bin ich der Typ, der seine Ernsthaftigkeit lieber versteckt, um die anderen nicht zu erschrecken. Habe ich Sie erschreckt?

Sonntag, 23. März 2008

Vielleicht muss ich dankbar sein, dass ich diese große Klarheit erfahren darf, ich nehme sie zu selbstverständlich hin und komme gar nicht auf die Idee, dass es Menschen gibt, die sie nie erfahren haben. Vielleicht lebt es sich einfacher, wenn man sie nicht kennt, aber die Sehnsucht danach hat vermutlich jeder. Mein Unmut über die Schlieren ist nur das Ergebnis davon, weil der Kontrast zu stark ist, wenn man weiß wie es sein kann.

Adam vor meiner Tür auf den Stufen sitzend. In seiner Motorradkluft, seine Maschine aufgebockt seitlich an der Hauswand. Auf den Knien die McDonalds-Tüte. Ich sehe ihn von weitem, noch hat er mich nicht entdeckt, schaut in die andere Richtung, in Gedanken, er wirkt gelöst, wie ein Schlafwandler. Ich bin schon ganz nah, nur wenige Schritte noch, als er mich entdeckt, aufschaut in meine Richtung, ein Lächeln, offene Augen, ich lächle auch. Dieser kurze Augenblick bleibt, eine Berührung über alle Abgründe hinweg.

Es ist schwer, sich mit dem Ende von Klarheit und Vollkommenheit abzufinden, doch im Grunde genommen weiß ich, dass man sie nicht erzwingen kann. Vielleicht muss ich einfach loslassen, sagen "es war schön" und annehmen, dass es sich nicht wiederholen oder verlängern lässt. Klarheit ist kein Dauerzustand, zumindest hier nicht.

Samstag, 22. März 2008

Sehr geehrter Herr,
Sie werfen mir vor, dass ich zu abstrakt rede, dass ich theoretisiere anstatt mich an konkrete Situationen zu halten. Sie fühlen sich ausgeschlossen, nur weil ich keine belanglosen Details liefere. Ich sage Ihnen, ich habe zuviele Situationen vor Augen, die alle nach gleichem oder ähnlichem Schema ablaufen, sollte ich die Ihrer Meinung nach alle aufzählen? Es ist für mich ohnehin schon beschämend genug erkennen zu müssen, dass man immer wieder ähnlich reagiert, die gleichen Fehler macht. Was z.B. fasziniert mich an Eva? Es ist diese Leichtigkeit und Spontaneität im Umgang mit anderen, dieser Typ "Alpha-Persönlichkeit", überall beliebt, gern gesehen, kommunikationsfreudig, ein großer Freundeskreis, geliebt von allen Seiten. Adam ist ähnlich, meine Freundin in der Schule war so, die Frau, in die ich mich später verliebte, war so, meine Ausbilderin im Krankenhaus. Was nützt es, sie alle in langer Reihe vorbeiziehen zu lassen, was nützt das Eingeständnis, dass nichts geblieben ist von Freundschaft und Liebe. Eigenes Versagen? Und wenn ja in welcher Hinsicht? Man könnte diesen Menschentyp einfach meiden, man könnte sich von Anfang an sagen, dass es sinnlos ist sein Herz dranzuhängen. Ich kenne Sie nicht im Kreis Ihrer Freunde, aber vielleicht sind auch Sie so ein Typ?

Donnerstag, 20. März 2008

Eva und ihre Freundin im Café, sie grüßen nicht einmal, setzen sich an einen anderen Tisch, Eva mit dem Rücken zu mir. Ich komme mir vor, als hätte sie einen Wettbewerb gewonnen, bei dem ich nicht einmal die Spielregeln kenne. Plötzlich ist es eine Niederlage, im Café allein zu sitzen, dabei habe ich das jahrelang gemacht und mich nie ausgeschlossen oder bemitleidenswert gefühlt, ich wollte es nicht anders. Was ist jetzt so anders? Warum komme ich mir so klein und unterlegen vor? Ich wollte keine Beziehung mit Eva, aber das jetzt nicht mal mehr Freundschaft oder zumindest ein normaler Umgang möglich ist, kränkt mich. Als wäre ich eine Unperson oder ein Verbrecher. Ich gehe als sie sich gerade küssen, so fällt nicht auf, dass auch ich nicht grüße. Was ist das, was so unausgesprochen in der Luft hängt und mich fast erstickt?

Flucht in andere Cafés, um nicht bekannte Gesichter zu sehen. Endlich wieder eintauchen in heilsame Anonymität, ungestört beobachten und frei von Schuldgefühlen, weil man allein am Tisch sitzt. Ich atme auf.

Künstler haben ein Gespür für Klarheit, sie haben diese seltene Übereinstimmung zwischen sich und der Welt erlebt und demzufolge leiden sie an den Schlieren des normalen Alltags. Ich bin ein Künstler und ich möchte meine Vision von einem erfüllten und sinnvollen Leben nicht aufgeben, nur weil alle anderen um mich herum mir einreden wollen, dass diese Verschmutzung "normal" sei.

Samstag, 15. März 2008

Sehr geehrter Herr,
Sie selbst sind es, der dauernd in irgendeiner Weise unsere Beziehung thematisieren will. Und als ich heute tatsächlich nachfragte? Tja, da zogen Sie sich wie erwartet zurück und warfen mir die Frage zurück. Ich habe sie nicht gestellt, ich will sie auch nicht beantworten müssen. Natürlich kann ich versuchen mir vorzustellen, was Sie vielleicht meinen, was ich für Sie bin oder für wen Sie sich mir gegenüber halten, etc., aber das ist nicht mein Problem, das mache ich gezwungenermaßen ja permanent. Unsere Beziehung ist insofern keine Ausnahme, denn auch mit anderen werde ich zurückgeworfen auf mich selbst und meine Phantasie. Inzwischen jedoch beginnt es mich zu nerven, dieses was könnte, müsste, sollte, dürfte/dürfte nicht, etc. Ich bin es leid dieses Nachdenken über das Innenleben von anderen und die Folgen, die meine Worte/Handlungen für die anderen haben könnten. Ich habe keine Angst mehr vor der Zerstörung anderer, ich selbst bin ohnehin so zersplittert und zerstört, da spielt es keine Rolle mehr, was noch alles zu Bruch geht. Von mir aus auch Sie.

Freitag, 14. März 2008

Ich hatte für mich eine akzeptable Lösung gefunden. Da Beziehungen generell recht schnell in Stress ausarten und nichts mehr mit Liebe oder auch nur Zuneigung und Freundschaft zu tun haben, hatte ich mich selbst für beziehungsunfähig deklariert. Damit konnte ich leben, denn es schloss keineswegs den Spaß eines kleinen Flirts oder einer Küsserei aus, man vermied nur die sich anschließenden negativen Folgen und Verstrickungen. Das dachte ich bis ich auf Eva stieß, denn sie führte mein Prinzip ad absurdum, es führte zu keiner Beziehung, doch zu zahlreichen Verwicklungen und negativen Folgen.

Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass Adam mich allein durch sein Schweigen an sich kettet. Durch eine Antwort von ihm, egal wie sie ausfiele, wäre ich frei. Denn im Grunde genommen hat er keine Bedeutung mehr für mich, ich könnte nicht einmal sagen, was ich eigentlich für ihn empfinde, aber dadurch dass er schweigt und mich zappeln lässt, bin ich an ihn gebunden. Dieses "ich will eine Antwort von ihm" wird mich umbringen. Ist es das wert? Ich möchte sagen können "mach doch deinen Scheiss allein", mich umdrehen und einfach weggehen.

Adam in seiner herrischen Art im Restaurant. Er möchte nichts essen, der Ober ist pikiert. Ich bestelle etwas zu essen, um den Abend zu retten. Adam mokiert sich über die Unverschämtheit. Wenn ich zurückdenke hat Adam das Programm bestritten, von seiner Arbeit erzählt, von der Stadt, den Kollegen, irgendwelchen Streitigkeiten, etc. Ich habe nicht viel beigetragen, es erschien nicht wichtig angesichts der echten Probleme und Schwierigkeiten von Adam. Es ist eine Frage des Auftretens, wo Adam seriös und kompetent wirkt, bin ich nur lächerlich und nervend. Meine Geschichten erscheinen mir schon während ich sie erzähle langweilig und überflüssig, also erzähle ich sie meist gar nicht. Kann man lernen, sein Leben etwas ernster zu nehmen oder zumindest an seine Bedeutung zu glauben? Will ich das? Ist es nicht viel realistischer, das alles nicht so wichtig zu nehmen? Ich bin überfragt und da von Adam keine Antwort kommt, wieder mal auf mich zurückgeworfen.

Donnerstag, 13. März 2008

Sehr geehrter Herr,
Sie haben sich darüber gewundert, weil ich Ihnen eine Kleinigkeit geschenkt habe. Sie wollten darüber reden, wollten wissen warum, etc. Doch ich habe mich geweigert, ich will nicht begründen, will nicht aus falscher Scham kleinmachen und herunterspielen, will aber auch nicht aufbauschen und Bedeutung verleihen was keine bzw. eine ganz andere hat. Es wäre gut, wenn Sie auch nicht mehr darüber nachdenken und sich einfach freuen, mit jedem Wort von mir wird es wertloser, denn ich müsste zerstören bevor Sie es tun.

Montag, 10. März 2008

Eva und ihre neue Freundin im Café, noch zwei weitere Frauen, die ich bisher nicht kenne. Woher nehme ich bloß die Dreistigkeit, mich zu dieser Runde dazuzugesellen? Eva in ihrem Glück, frisch verliebt, Händchen haltend, nur Augen für sie, hin und wieder streift mich ein Blick, nichtssagend, aus weiter Ferne. Es ist einfacher, wenn Menschen körperlich sterben. Eva ist tot, wenn man tot als unerreichbar definiert, und es ist mein eigenes Versagen. Ich lächle, spreche, mache scherzhafte Bemerkungen, höre zu und hüte mich davor, Eva wirklich anzuschauen. Wer weiß was mein Blick ihr verraten würde. Es ist ein Automatenspiel, Larven, die miteinander sprechen, aber völlig sinnlos. Ich kann sie nicht mehr erreichen, weil ich selbst unerreichbar bin, abgetaucht in Neutralität und Gleichgültigkeit.

Ein Brief von Adam, warte ich eigentlich noch im Ernst auf eine Antwort? Kann ich mir vorstellen, dass er jetzt, nach Monaten, etwas von sich gibt? Es wäre ein Wunder, also sehr unwahrscheinlich. Gestorben für mich, und wieder ist es in irgendeiner Form meine Schuld. Wie soll man in einer Welt leben, die einen immer wieder zurückstößt? Meine Frage, ob und inwiefern es an mir liegt, bleibt unbeantwortet. Vielleicht geht es nicht darum zu fragen, sondern anzunehmen.

Sonntag, 9. März 2008

Sehr geehrter Herr,
Sie fragten mich vor kurzem, ob ich mich selbst hin und wieder hektisch und Kontrolle ausübend erlebe und ich sagte schnell und bestimmt nein. Vielleicht ein wenig zu schnell, hektisch würde ich auch jetzt noch verneinen, aber mit der Kontrolle haben Sie vielleicht nicht ganz unrecht. Wichtig ist mir meine Unabhängigkeit, und um sie zu bewahren ist es zwangsläufig notwendig zumindest sich selbst zu kontrollieren. Es geht darum, seine Gefühle im Zaum zu halten und anderen gegenüber das Gesicht zu wahren. In der Schule galt ich als jemand, dem man seine Gefühle nicht ansieht, der sich beherrscht. Ich hielt das bisher für ein Kompliment, doch vielleicht irre ich mich, vielleicht ist es nur eine Art von Feigheit und Arroganz. Man ist anders und steht abseits mit dieser Selbstkontrolle, man ist undurchschaubar und nicht recht einzuordnen. Es ist unmenschlich so zu sein, und das hat man mich spüren lassen, bereits als Kind. Und das Schlimme daran war, dass ich nichts dagegen tun konnte, als mich noch mehr zu verschließen und noch weniger von mir zu zeigen, das bisschen, was an Ich noch da ist, muss unter allen Umständen geschützt werden. Inzwischen denke ich jedoch anders. Dieses bisschen Ich ist es nicht wert, dermaßen geschützt zu werden, lassen wir es endlich zerstören und sterben, das scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein.

Samstag, 8. März 2008

Die Geschichte, die ich Eva von Adam erzählte. Sie kannte ihn nicht persönlich, hörte sich nur an, wie ich von einem Vorfall erzählte. Er hatte mich eines abends bis zur Weißglut gereizt und ich musste gehn, um ihn nicht zu erschlagen. Oft hatte ich zu ihm im Spaß gemeint, dass ich ihn irgendwann erschlagen werde, doch an jenem Abend war es plötzlich ernst. Ich erschrak darüber sehr und es beschäftigte mich noch Tage später. Ich wollte Eva gegenüber nicht lügen, ich wollte ihr gegenüber probieren aufrichtig zu sein. Es war unser letztes gemeinsames Treffen, in meiner Aufrichtigkeit hatte ich sie in meinen Schrecken mit hineingezogen und sie floh. Es half nichts, dass ich Adam nicht tatsächlich erschlagen hatte, die Vorstellung genügte, dass ich es hätte tun können. Anfangs schmerzt so eine komplette Ablehnung, doch jetzt bin ich fast froh, denn ich habe sie und mich vor einer Lüge bewahrt.

Kein Weg führt zurück
die Pforten hinter mir verschlossen
vorwärts ins Dunkle

Der Weg wird schmaler
Geländer und Stütze verschwunden
Vorwärts ins Ungewisse

Ohne Weg immer weiter
keine Begleitung erlaubt
vorwärts ins Leben
vorwärts in den Tod

Freitag, 7. März 2008

Sehr geehrter Herr,
ich würde Sie gerne umarmen, doch ich weiß natürlich, dass dies gegen die vorgeschriebenen Regeln und Abmachungen verstoßen würde. Vermutlich würden Sie automatisch annehmen, ich hätte mich in Sie verliebt, das soll ja öfter vorkommen, und wenn Sie verlieben in einem sehr viel umfassenderen Sinn meinen, haben Sie tatsächlich recht. Es ist die Liebe zu einem Sommertag, zu einem Lächeln im Gesicht einer alten Frau, ein allumfassendes Umarmen, wobei Sie als ein einzelnes Wesen stellvertretend für die ganze Welt stehen würden. Gibt es so etwas? Ich fürchte jedoch, Sie könnten es missverstehen, denn es ist kein Gedanke in mir an Sex oder auch nur mit Ihnen zusammen im Bett liegen. Ich will Sie umarmen, um mich zu vergewissern, dass Sie tatsächlich da sind und dass es kein Traum ist, dieses überschäumende Gefühl von heißer Liebe zur Welt, zum Leben und zum Tod. Ich könnte sterben, wenn ich Sie tatsächlich umarmte, und wäre einverstanden. In mir das Meer.

Dienstag, 4. März 2008

Adam mit glitzernden Augen, als er mir vorschlug, mit mir in ein Szenecafé zu gehen. Er hatte Marktforschung betrieben und alle möglichen Cafés, Clubs, Discos, etc. zusammengetragen, wo sich Lesben und Schwule treffen. Eine ganze Liste, die er mir stolz überreichte. Ich war gerührt und verärgert. Wollte er mich verkuppeln? Wollte er sehen, wie ich in dieser Umgebung auftrete? Wollte er mich als "Lesbe" sehen? War es eine Herausforderung, weil er mir nicht glaubte? Er hatte gesagt, ich sehe gar nicht aus wie eine Lesbe, meine Gegenfrage, wie man denn seiner Meinung nach auszusehen hätte, förderte die üblichen Klischees zutage, denen ich damals tatsächlich nicht entsprach. Ich wollte nicht mit ihm in ein Café, wollte ihn nicht als Zeuge meiner Beziehungsunfähigkeit. Im Nachhinein irritiert mich sein Glitzern in den Augen, was versprach er selbst sich davon? Welche Spur verfolgte er für sich? Wäre ich damals nicht so ich-bezogen gewesen, es hätte vielleicht für uns beide ein Aha-Erlebnis werden können.

Wann ging Adam eigentlich nach H.? Ich weiß, ich war bereits nach einem Jahr wieder weitergezogen. Als ich einige Jahre später erneut nach H. ging, war er dort. Also muss er zwischen meinem 1. und 2. Aufenthalt dorthin gegangen sein. Warum ist immer noch unklar, denn er war bzw. ist sehr heimattreu und während unserer gemeinsamen Studienzeit wollte er nie weg von dort. Dann kam sein Auslandssemester in England, na gut, das war zeitlich begrenzt und überschaubar, und nach dem Abschluss ging er nach H. Sicher ist, dass er auch vor Ort zahlreiche Stellenangebote hatte, man riss sich förmlich um ihn. Irgendwann später hat er mal in einem halben Nebensatz von "Flucht" gesprochen, doch da es mir zu dem Zeitpunkt nicht recht einleuchtete, hielt ich es für eine seiner Koketterien und ging nicht näher darauf ein. Ich frage mich jetzt, Flucht wovor, denn die Sache mit seiner Freundin war viel früher und eine andere Beziehung, die ihm die Heimat hätte verleiden können, hatte er nicht. Vielleicht eine etwas egozentrische Frage, doch lag es vielleicht an mir? Vermisste er mich so, dass er versuchte in meine Nähe zu kommen? Ich fürchte, das werde ich nie erfahren, denn da er mich verpasste, in meiner Unbeständigkeit war ich nur wenige Monate dort, wird es seinen Stolz zu sehr verletzen mir gegenüber so etwas zuzugeben, seine Andeutung mit "Flucht" war vielleicht schon zuviel.

Montag, 3. März 2008

Das Problem des Geliebt-werden-wollen und gleichzeitig wissen, dass man nie als "Ich" geliebt wird, dass alles geliebt-werden auf einem großen Missverständnis beruht. Daraus resultierend die Entscheidung, lässt man sich lieben in dem Wissen, dass nur deine freundliche Maske geliebt wird, eine Liebe auf der Basis einer Lüge, oder verzichtet man auf diese Liebe, stößt sie zurück, um zumindest aufrichtig zu sein und bleibt lieber allein. Gleichzeitig natürlich die Frage, was liebe ich an einem Menschen? Würde ich auch lieben, wenn ich sein wahres Ich kenne? Und wie kann ich dahin vordringen? Das Gefühl nur ein Bild zu umarmen, während der Mensch dahinter sich weiter und weiter von mir entfernt - unerreichbar.

Eva mit ihrer neuen Freundin in der Stadt, Hand in Hand, lachend, herumalbernd, so versunken in ihr neues Glück, dass sie dicht an mir vorbeigehen ohne mich zu bemerken. Ich kann also ungestört schauen. Ja, da ist ein anderer Glanz in ihren Augen, in ihrer Art, sie wirkt lockerer, gelöster als in meiner Gegenwart. Das Beisammensein hat etwas Unkompliziertes, es macht mich nachdenklich. Gleichzeitig mein Erstaunen über meine eigene Reglosigkeit, nicht mal ansatzweise ein Gefühl von Eifersucht oder Neid oder Wut oder Enttäuschung. Wäre es wirklich so völlig außerhalb alles Denkbaren gewesen, dass sie meine Freundin geworden wäre? Ich bin nicht mal gekränkt, dass sie mich einfach übersieht, dass sie mir nichts erzählt von ihrem Glück. Was weiß ich von ihr? Wer ist diese Frau, wer war sie mit mir und wer ist sie jetzt mit der anderen? Ich möchte ihr die Maske vom Gesicht reißen und sie nackt sehen, so wie sie tatsächlich ist, Utopie!

Was passiert, wenn sich die Verliebten Feuer und Wasser tatsächlich einmal treffen? Das Feuer könnte das Wasser verdunsten, das Wasser das Feuer löschen, doch wenn beide mit gleicher Intensität lieben, ergibt sich ein brennendes Meer, ein schwimmendes Feuer, es muss gigantisch sein. Ich habe das Meer gesehen, es ist..., nein, ich finde keine Worte für das Unsagbare, keine Worte für den Zustand in mir seitdem. Es ruft und lockt mich, es streichelt meine Seele und jeder Gedanke endet fast zwangsläufig bei seiner Größe und Weite, ein Zauber.

Sonntag, 2. März 2008

Sehr geehrter Herr,
angenommen, wir hätten uns zufällig in einem Café kennengelernt und angenommen wir wären einfach so ins Plaudern gekommen, meinen Sie, dass sich unsere Rollen genauso ausgestaltet hätten wie sie jetzt zwangsweise festgelegt sind? Würden Sie mir genauso aufmerksam zuhören und versuchen mich zu verstehen? Oder wärst du in eine dir gemäßere Rolle verfallen, hättest mir erzählt von dir und deinen Problemen? Wie kann ich sicher sein, dass dich tatsächlich interessiert, was ich erzähle, dass du nicht hinter meinem Rücken den Kopf schüttelst und mühsam nur ein Gähnen unterdrückst? Es ist ein Gefühl von Macht, wenn der andere einem zuhören muss, gleichzeitig jedoch ist es erkauft durch die vorgegebenen Rollen und damit nur ein Zeichen meiner Ohnmacht. Ich liebe Sie, weil Sie mir zuhören und hasse Sie dafür. Und wie ertragen Sie es?

Samstag, 1. März 2008

Losgelöst, befreit von den Ketten, die an andere Menschen binden. Ich schaue zurück, etwas wehmütig und weiss gleichzeitig, dass dieser Weg vorbei ist, beendet, weil es nicht mein Weg ist. Die Jahre, in denen ich versuchte, eine Verbindung herzustellen, Brücken zu bauen, sie sind weggesprengt, und ich stehe wieder am Anfang: allein, ein Außenseiter, ein Einzelgänger, ein Beobachter am Rande. Doch weg ist nun auch die Illusion, dass ich diese Position ändern kann, wenn ich mich bemühe. Ich sinke zurück in mein früheres Schweigen. Und obwohl es mich traurig macht und sich trotz allem ein Gefühl von Versagen breitmacht, bin ich erleichtert und atme auf. Ich habe endlich erkannt in welcher Sackgasse ich bin und muss nicht länger nach dem weiteren Weg suchen, es gibt keinen. Ich drehe mich um, und da ist das Meer, mein Begleiter, meine Liebe, und ich gehe am Strand entlang, Blick schweifend am Horizont und Augen, Ohren, Nase, Mund, Haut voller Meer, sonst nichts.

Die Angst, es war nicht meine, die Vorsicht, der Blick auf die Realität, das alles war mir fremd und wurde doch zwangsweise in mich hineingepflanzt. Es galt Träume zu vertreiben, Phantasien zu töten, bereits im Keim zu ersticken. Ich fühlte diese eingepflanzte Angst und Vorsicht wie einen harten Kristall in mir, die Abstoßungsreaktion war heftig aber vergeblich. Es scheuerte und schmerzte in mir, ich spuckte und schrie, doch das Ding war hartnäckig. Ich versuchte mich damit zu arrangieren, versuchte durch sein Prisma nur noch die Realität zu sehen, verscheuchte selbst meine Träume. Es rebellierte vergebens in mir. Ich musste ihn sprengen, doch ich sprengte nur mich selbst.

Irgendwann werde ich in einem beliebigen Gespräch, wenn die Rede auf Adam kommen sollte den Kopf heben und wie aus einem Traum erwachend fragen "Adam? Wer ist das? Kenne ich ihn?" Die Freunde werden mich irritiert anschauen, vielleicht an Amnesie oder Alzheimer denken und mich bedauern, ich jedoch werde lächeln, und wie man sich an eine Statue im Museum erinnert, wird Adam für mich einen festen Platz in der Vergangenheit haben, aber nicht länger meine Gegenwart stören.