Donnerstag, 10. Juli 2008

Eva im Café mit irgendeiner Frau. Ich erinnere mich an ihre Zärtlichkeiten, wie sie ihr übers Bein streicht, über den Unterarm, die Hand berührt, die Schulter. Ich ein paar Tische weiter, scheinbar desinteressiert, Tee trinkend, etwas schreiben und doch genau beobachten. Ist es meine Einbildung oder ist Eva gar nicht wirklich dort drüben am Tisch? Ihre Bewegungen wirken mechanisch, ihr Blick schweift immer wieder ab, zu mir? Ich traue weder ihr noch mir. Ist ihr Blick herausfordernd "das könnte ich mit dir auch machen" oder genervt "lass mich endlich in Ruhe", will sie mich provozieren "du bist längst nicht so unbeteiligt und kühl wie du tust" oder ist es ein einfaches "versteh doch, ich bin verliebt und interessiere mich keinen Deut für dich". Alles scheint möglich bzw. unmöglich zu sein und Klarheit lässt sich nur herstellen, wo gesprochen wird, und zwar ohne Maskerade und Schauspielerei. Ich bleibe im unklaren und rede mir die wahrscheinlichste Möglichkeit ein, nach der sie verliebt ist in die Frau, die sie zärtlich berührt und alles andere meiner Einbildung entspringt. Wieder mal weiche ich zurück. Vor ihr, vor mir.

Verständnis haben, für jeden, für alles. Dafür dass mich einer liebt, dafür dass mich einer nicht liebt. Verständnis für alle Folgen, die sich aufgrund meines Verhaltens ergeben. Ich kann nicht voraussehen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Für die Folgen jedoch muss ich gerade stehn, die Verantwortung übernehmen, obwohl ich sie vielleicht gar nicht gewollt habe. Wie kann man unter diesen Bedingungen unbefangen auf jemanden zugehen, wie jemandem zulächeln oder auch nur seinen Blick erwidern. Darin enthalten die Möglichkeit, dass er sich in dich verliebt, was du nicht beabsichtigt hast, wovor du dich fürchtest. In letzter Konsequenz also kein Lächeln, den Blick abwenden, schnell weitergehn, die Spontaneität an die Kandarre nehmen. Und im umgekehrten Fall? Wenn du selbst Interesse an jemandem hast? Kein Lächeln, den Blick abwenden, schnell weitergehn, dann ersparst du dir, dass du zu deinen unerwiderten Gefühlen auch noch Verständnis dafür haben musst. Ein Leben ist das freilich nicht, mein Verstand vom vielen Verstehen schon völlig erschöpft.

Mein Vater, dem meine stürmischen Liebesbekundungen als Kind zuviel waren, der mich wie eine Klette abpflückte, wenn ich mich an seinen Beinen festklammerte. Meine Mutter, die mir erklärte, warum ich das verstehen muss: ein Elternhaus, indem man sich weder küsste noch umarmte, bestenfalls mal die Hand gab. Er kannte es nicht, war überfordert damit. Meine Oma, die mich drückte und herzte, wenn wir zu Besuch kamen. Die nicht verstehen konnte, dass es mir zuviel war, dass ich Angst hatte zu ersticken zwischen wogenden Brüsten, Bauch, Armen, Locken. Meine Mutter, die mir erklärte: die Freude über das Enkelkind, die Liebe zu mir, ihr Alter, das auflebt, mal wieder ein Kind zu haben. Ich verstand, im Grunde gibt es für alles eine Erklärung, eine Entschuldigung, und das Zauberwort hieß "du bist doch groß, du kannst das schon verstehen."

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