Samstag, 13. September 2008

Zurück zu den Ahnen, lange Reihen Frauenbilder, eindrucksvoll, markant, gewichtig, die Männer im Hintergrund, unscheinbar, nichtssagend, bedeutungslos. Jede hat vielleicht darauf gehofft, auch in ihrer Schwäche geliebt zu werden und musste erkennen, dass es nicht funktionierte. Meine Urgroßmutter, auf ihrem Stuhl in der Küche sitzend, nicht ansprechbar, wenn sie ihren "Zustand" hatte, stand das Leben still, nichts ging mehr. Was blieb ihr übrig als eines Tages wieder aufzustehen, ein Lied zu pfeifen und einen Kuchen zu backen, das Leben musste weitergehn. Meine Oma, ihre Aufbruchsphantasien, alles hinschmeißen, sich scheiden lassen und irgendwo anders neu anfangen, raus aus der Enge des kleinen Dorfes in dem sie, die geborene Großstädterin, nie heimisch wurde. Aber da waren die Kinder, ihre Verantwortung ihnen gegenüber, durfte sie ihnen einen Vater vorenthalten? Sie dem Gerede aussetzen? Durfte sie den Mann, schwer kriegsverletzt, im Stich lassen? Also kochte sie erstmal Tee, kuschelte sich in ihren Morgenrock, genoss die ruhige Morgenfrühe, und dann gings weiter. Meine Mutter, ihre Unsicherheit und Angst getarnt unter souveränem Auftreten, selbstsicher wirkend, jederzeit alles im Griff. Man erschrak, wenn sie weinte, wenn sie keine Lösung parat hatte. Sie musste weitermachen. Immer fehlte der Platz oder auch das Verständnis für die zahlreichen anderen Teile, unterentwickelt, verkümmerten sie schließlich, ließen sich nicht wiederbeleben. Was ging noch unter? Wieviel Kreativität und Schöpferkraft ertrank im See der Stärke? Wieviel blieb unsichtbar unter der Oberfläche, weil er künstlich aufgestaut wurde? Ich möchte sie sehen, die Unterwelt, schimmernd und schön, die Farbenpracht der Korallenriffe, seltene Fische und Kreaturen, für die erst noch ein Name gefunden werden muss. Ich will hinabtauchen, mich nicht nur an der ruhigen Oberfläche erfreuen. Kann ich auch nur Vermutungen über die Schätze meiner Ahnen anstellen, in meine eigenen Tiefen muss es möglich sein zu gelangen.

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