Donnerstag, 24. Januar 2008

Adam vor dem Mikro in der Mensa. Er spricht für seine Hochschulgruppe, eine Art Wahlveranstaltung. Sein Eifer, sein Engagement, er ist mitreißend, man liebt ihn - oder hasst ihn, die Menge jubelt - schreit buh und pfeift, es brodelt. Bei den vorherigen Sprechern fühlte ich mich an Schulsprecherwahlen erinnert, jeder erzählt ein bisschen, was er vorhat und ist lieb und freundlich, und jeder in der Zuhörermenge weiß, dass ohnehin nichts verwirklicht werden wird. Und dann Adam, ein Geschoss, und plötzlich ist keiner mehr im Raum, den es kalt lässt, ob in der Bibliothek Spinde aufgestellt werden oder nicht. Ich frage mich, was hat sich geändert? Was hat er getan? Er wirkt als hätte er alles unter Kontrolle, als genieße er den Aufruhr, doch ich glaube ihm nicht. Ich kenne ähnliche Situationen und meine arrogante Gleichgültigkeit als hilflose Reaktion auf das Unfassbare.

Aufwachen aus einem Alptraum und keinerlei Erinnerung mehr daran haben, Folter. Zurück bleibt lediglich dieses peinigende Gefühl von Wissen und Nichtwissen. Es wäre besser genau zu wissen, klare Bilder zu haben, auch wenn sie schrecklich wären. So bleibt nur das vage unbestimmte Gefühl von Ohnmacht und Entsetzen zurück, ein schwarzes Loch in dessen Sog man gerät, unerklärlich.

Seine Gefühle einfach abstellen können, nur noch aus einem Kopf bestehen, Gedanken ja, schwierigste Überlegungen, doch Gefühle gestrichen, völlig emotionslos, ein Schalter ist umgestellt worden. Einerseits Erleichterung, leben ist einfacher und unkomplizierter, doch lässt sich andererseits dabei noch von "Leben" sprechen? Es ist ein nacktes Funktionieren. Soll es darauf hinauslaufen? Ist alles andere unerwünscht? Zu schwierig? Unverständlich? Anstrengend? Kompliziert? Eins jedenfalls ist sicher: Dieser Automat kommt zurecht und wird allgemein anerkannt, sein Leben ist vielleicht nicht besonders spektakulär, dafür jedoch kann er sich als nützliches Glied der Gemeinschaft fühlen. Ach so, fühlen kann er ja nicht.

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